Vom Nutzen der Stative in der Naturfotografie

 

Die Kameras werden immer kleiner, die Bildstabilisierung setzt sich in vielen Systemen durch, also: brauchen wir noch Stative?

Die Antwort heißt eindeutig JA, wenn wir fotografieren und nicht "knipsen" wollen. Eine solche Aussage ist HEUTE keineswegs mehr unumstritten. Viele Reportage- oder Presse Profis greifen allenfalls beim Supertele zum Einbein. Ohne Stativ ist man schneller und flexibler, das ist richtig. Aber nicht immer besser.

Wie sagte doch Art Wolfe so schön: ein guter Fotograf kann sein Stativ überall aufbauen... Mit dem alten Manfrotto 055B und 14mm Superweit in der "Wave" des Wave Rock in Westaustralien. Für solche Fotos braucht es eine Wasserwaage auf oder in der Kamera und einen guten Sucher in der Kamera. © Achim Kostrzewa (2010)

 

Ein Stativ sorgt für Ruhe bei der Planung des Bildes, man geht überlegter an die Situation heran, man muß ja vorher überlegen, wo man das Stativ aufbaut, um den Bildausschnitt entsprechend zu planen. Außerhalb der Bildreportage gibt es ja noch so schöne Themen wie Landschaften, die immer vom Stativ profitieren. Der lange Blick durch den Sucher hilft auch Fehler oder unerwünschte Bildbestandteile wie Müll etc. zu erkennen und möglichst voreher zu beseitigen. Ich bin da überhaupt kein Freund vom "Stempeln."

Zwingend wird das Dreibein bei Makro- oder Teleaufnahmen, besonders, wenn es um größere Brennweiten (>100mm bei Makro und >200mm bez. auf FF in der allgem. Natur- und Landschaftsfotografie) geht. Ebenfalls notwendig wird es für Panorama- und Shift/Tilt Anwendungen, die nachher am Bildschirm zusammenmontiert  (neudeutsch: "gestiched") werden.

 

Was wofür?

Ich habe insgesamt fünf Stative über jetzt fast 40 Jahre gekauft.

Da kann ich denn so fast alles draufschrauben. Die schwerste + ausladenste Kombi, die ich bislang hatte, war das AI-S 5,6/600 IF-ED. Mit der analogen F4s und der Sonnenblendenverlängerung HK-4 bringt dieser Trumm knapp 5 kg und 68 cm Länge auf den Stativkopf. Damit so etwas stabil steht und nicht von einem "unbedachten Schubs umgefallen wird," sollte das Eigengewicht des Stativs etwa dem  der Kamera-Objektiv-Kombi entsprechen und die Stativbeine so gespreizt sein, das ihr Radius am Boden deutlich größer ist, als die Kamera lang. Nur dann ist fester Stand gewährleistet, sonst kann allein der Wind (ich arbeite oft an sehr windigen Plätzen) das ganze umblasen. (Stichworte: stabiles vs. labiles Gleichgewicht). Und das hat meist eine teuere Reparatur zur Folge. Bei zwar großen, aber eher leichten Carbon Stativen bietet sich an, das Stativgewicht durch Anhängen eines Rucksacks zu erhöhen. Filmleute stabilisieren ihre Stative on location oft mit kleinen Sandsäcken. Es ist ja meist so, daß die Kamera mit großem Objektiv weit im fünfstelligen Euronen Bereich liegt. Da sollte man beim Stativkauf nicht auf ein paar Euros schauen. Sachtler, Berlebach oder das leichte Gitzo Ocean wären da schon angebracht. Die Köpfe sind heute sehr unterschiedlich: die "alten" Hasen bleiben beim Sachtler Filmneiger, aber auch die Wimberly Wiegen sind sehr beliebt. Beide Typen verlangen aber nach einer Kugelkalotte zur horizontalen Ausrichtung. Die dritte Fraktion bleibt beim "ollen" Kugelkopf, der hat den Vorteil "einer für Alles." Und spart somit Gewicht.

Mein Aufbau geht so gerade noch, an sich müßte ich die Beine aus der Spinne aushängen und weiter spreizen, aber es ist heute nicht windig auf Texel und man ist ja auch faul. Wenn ich im Stuhl sitze, habe ich einen Fuß auf einer Spinnenstrebe stehen. Es laufen weder Touristen mit Kindern noch Hunde rum. Die sind die größte Gefahr einem die Ausrüstung um zu reißen...  © Achim Kostrzewa

Hier der Kollege mit dem 600er auf dem Berlebach Holzstativ hat alles richtig gemacht. Gegen den Wind hilft Gewicht und Kaffee.  © Achim Kostrzewa

Bei den Kranichen in der Boddenlandschaft. Schweres Berlebach Holzstativ mit Kugelkalotte zum Neigungsausgleich und massiver Kurbelsäule. Das muß schon sein bei diesem Aufbau aus Videokamera und manuellem AI-S 5,6/800mm IF-ED Nikkor.  © Achim Kostrzewa

Lang ist's her: Bei den Kranichen am Günzer See, wir suchen Windschutz hinter dem WOMO. Ein AI-S 5,6/600 IF-ED auf dem Linhof und ein AF-S 4/300 auf dem Manfrotto ohne Mittelsäule. Zum Sitzen war es zu kalt, dann ist es besser etwas in Bewegung zu bleiben und die Stative auf Augenhöhe zu bringen. Die 50 cm Mittelsäule beim Linhof kann man getrost 30 cm ausfahren (hier sind es aber nur 12 cm). Beide Objektive sind schon älter und daher unstabilisiert. Der Stand ist sehr gut. Beide Kameras/Objektive sind mit einer Manfrotto Sechseckplatte auf dem Kugelkopf fixiert. Das Stativ hilft schnell zu reagieren. Der Bildausschnitt, mit der Stelle an der man die Action erwartet, ist grob voreingestellt. Der Stativkopf erlaubt bei richtig eingestellter Friktion ein Bewegen der Kamera ohne etwas verstellen zu müssen. Andererseits ist die Friktion so fest eingestellt, daß die Kamera keinesfalls kippt. Das muß man ausprobieren und üben.  © Achim Kostrzewa

 

Leichtere Kombis aus Gehäuse und Zoom kann ich getrost auf mein altes 055B packen, wobei die neueren Modelle mit der neigbaren Mittelsäule eher schön aussehen, als wirklich etwas taugen. DANN BESSER EIN NOVOFLEX TRIOPOD gleich ohne Mittelsäule konstruiert mit dreiteiligen Alubeinen (QLEG 2830, wiegt 1.725g) und einem guten 50mm Kugelkopf. Da kommt man zusammen auf ca. 2,5 kg, also ungefähr das Gewicht eines 2,8/70-200 + D600 o.ä. Mit den Tricks gegen ein labiles Gleichgewicht (Beine spreizen und Stativ beschweren) im Sinn geht das auch mit zwei Leki- einem Alubein und einem leichteren Kugelkopf. Meine neue Reise- und Wanderkombi wiegt bloß noch 1.565 g und steht auch stabil, wenn man es richtig macht (siehe Test 1 hier und Test 2 hier).

Stabiles Gleichgewicht beim linken Aufbau: Beine wenig ausgefahren und weit gespreizt, das fällt sicherlich nicht um. Rechts dagegen das ist umgefallen: schlampiger Stativaufbau eines "Sonntagsfotografen." Er hat die Kamera mit 70-300 Zoom gerade noch gefangen. Er hat die Kamera direkt auf den Neiger geschraubt und das Objektiv dann vorne drauf, mangels Stativschelle. Hätte er sich einen solideren Stand gesucht, oder die Beinlänge dem schiefen Untergrund angepaßt, wär nix passiert. Aber nein, er fluchte aufs Stativ, der Neuseeländer. Da lachten sogar die Pinguine am Strand in den Catlins... © Achim Kostrzewa

Auf dem Weg zu den Schellenten und Tauchern im Tiveden NP in Schweden finde ich diese schönen Fliegenpilze. Im Rucksack ist immer - auch wenn ich Teleaufnahmen machen will - ein Macro 105mm und ein 28er Weitwinkel vorhanden. Das Manfrotto 055B ist für die F4s mit dem AI-S 4/105 micro an sich überdimensioniert. Aber wenn man nix anderes zur Hand hat, geht auch das. Warum da die Mittelsäule eingebaut war, weiß ich nicht mehr...  © Achim Kostrzewa (2006)

 

Die Mittelsäule - Segen oder Fluch?

Schlecht konstruierte Mittelsäulen sind der Stabilitätskiller Nummer eins! Zu lang, zu dünn, zu wackelig lautet mein Urteil über fast alles, was man so in einem großen Fotoladen finden kann. Amateure suchen ja für ihre Ausrüstung immer die "eierlegende Wollmilchsau." Also bauen Hersteller diesen Quatsch, weil die Marekting Abteilung das gute Stück in größeren Zahlen gut (teuer) verkaufen kann, wenn so unsinnige Features wie eine kippbare Mittelsäule vorhanden ist... Auch Manfrotto hat seine 055er Serie damit verhunzt. Die gewinnen damit sogar noch in einer Fotozeitung den 1. Platz unter 20 Amateurstativen.

Doch genug gelästert, die Mittelsäule ist für einige Anwendungen auch sehr praktisch:

Denn hier können schon geringfügige Änderungen in der Kamerahöhe deutliche Auswirkungen auf die Perspektive haben. Man sollte nur diese Praxis nicht in Faulheit ausarten lassen und die Mittelsäule durch zu weites Ausziehen zum Wackeln bringen. Dann muß man nämlich die Stativbeine besser neu einstellen. Ohne Mittelsäule müßte man dies ständig für jegliche Höhenverstellung tun! ABER für meine sonstigen Naturfoto Anwendungen draußen habe ich jetzt sie entweder ausgebaut oder erst gar keine dran, wie beim neuen Novoflex TrioPod.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Hatte vorher gerade die Mamiya 645 Super mit Lichtschacht und 3,5/150mm drauf, als ich eine Gruppe mit Jungen in einer tollen Gegenlichtsituation sah. Da hab ich dann einfach die Mittelformatkamera in den Rucksack gesteckt und die D300 mit AF-S 4/300mm auf die halb ausgefahrene Mittelsäule geklemmt. Dabei entstanden einige der schönsten Fotos, die ich in dieser Kolonie je aufgenommen habe. Manchmal geht Schnelligkeit halt vor.  © Achim Kostrzewa (2008, St.Andrews Bay, South Georgia).

Fotografieren in geschützten Zwergpinguin Kolonien (hier: "The Neck" auf Bruny Island, Tasmanien) ist nur ohne Blitz erlaubt. Vom wackeligen Steg aus  habe ich daher noch in der Dämmerung mit hoher Empfindlichkeit digital vom Stativ aus fotografiert: die Jungen schauen wartend aus der Höhle (D300 mit AF-S 4/300, 3200 ASA, dadurch rauscht es "ein wenig," ohne Blitz, aber mit Rotlichtlampe).  © Achim Kostrzewa (2009)

Making of: man muß sich rechtzeitig weit vor Beginn der Dämmerung den richtigen Platz reservieren! Hier statt des üblichen Handtuchs, das Stativ mit Kamera als Platzhalter, alles ausprobieren und dann warten bis die "kleinen blauen Zwerge" geruhen aus der Höhle zu schauen (s.o.). Man darf sie NUR mit Rotlicht anleuchten. Bei Benutzung eines definierten Fotofilters, kann man das Rot wieder - jedenfalls teilweise - aus dem Bild rausrechnen...  © Achim Kostrzewa (2009)

 

Fehlerquellen

Wichtig ist das Aufbauen des Stativs zu üben und alles festzuziehen, bevor man die Kamera mit der Wechselplatte auf dem Stativkopf verankert. Macht man hier einen Fehler, landet die teure Kamera im Dreck. Ich habe das schon oft gesehen, es ist nicht nur peinlich, hat auch teure Reparaturen zur Folge. UND, es ist nicht das Stativ schuld, sondern Fehlbedienungen wie:

Wenn man an fotografischen Hotspots steht und den anderen beim Zusammenbau der Ausrüstung zuschaut, weiß man sofort, ob man einen Sonntagsfotografen oder einen "Profi" vor sich hat. Passiert so etwas bei der Hirschbrunft im Wildgatter, ist nur das WE hinüber, aber wenn man durch solche Fehler seine Ausrüstung zu Beginn einer Antarktis- oder Grönlandreise verliert, ist der Schaden nicht wieder gutzumachen.

Bei den Kameraplatten gibt es die

Früher hatte ich nur Manfrotto, auch weil die preiswerter waren, heute habe ich am Linhof Profi III immer noch die Manfrotto Sechseckplatte; an den kleineren Köpfen aber Acra Swiss mit Sicherung. Die Schwalbenschwänze haben sich überall durchgesetzt, weil sie u.a. erlauben, die Kameras in den Schwerpunkt zu schieben und so dem Abkippen entgegen zu wirken.

Kugelköpfe ohne Friktionsbremse kaufe ich grundsätzlich nicht. Die Bremse ist immer soweit angezogen, damit auch die schwerste Kamera nach dem Draufsetzen nicht aus der Horizontalen abkippt...

 

Auf Fetlar/Shetland wartete ich sehr lange, bis die Taucher von selbst immer näher kamen. Zwischendurch noch ein post prandiales Nickerchen hinter dem Stativ gemacht und die Regenschutzhülle fest um die Kamera gewickelt, kann nichts passieren... © Achim Kostrzewa

  

Fotosituation am Varangerfjord (Nordnorwegen): Linhof Doppelprofil (hier mit ausgehängten Spreizen) mit Profi III Kopf sowie Nikon F4s mit AI-S 3,5/400 IF-ED und Konverter TC 301 ergibt dieses Foto (auf Fujichrome 100) rechts: Dreizehenmöwe auf dem Nest. Das "making of" zeigt allerdings ein Querformat ohne Telekonverter bei dem die Möwe im linken Drittel des Bildes sitzt und rechts mehr Fjord bis zum Eismeer zu sehen ist. Aufrecht sitzen können beim Fotografieren tut dem Rücken gut. Gegen den Wind helfen die Fjällräven Jacke und Hose und die Mephisto Schuhe. Die Sonne wurde kurze Zeit Später durch eine Graupelschauer abgelöst! © Achim Kostrzewa

 

Fazit: Gute Stative sind meist schwer, wenn man alles wohl überlegt und seine Ausrüstung kennt, kann man auch mit leichteren Geräten gute Bilder machen. Es wird leider nicht immer alles so angeboten, wie man es wirklich brauchte. Daher verdienen kleine Spezialhersteller wie Burczynski, Nill, Zörk, Novoflex (in D) und in USA: Kirk oder RRS in dieser Marktlücke ganz gut. Carbonstative sind ja sicherlich sehr schön leicht und gut anzuschauen, aber für meinen rauen Alltag im hohen Norden und tiefen Süden zu anfällig gegen Beschädigung. Alu bekommt eine Beule, die ich in einer Werkstatt auf dem Schiff oder an Land u.U. gut reparieren/ausbeulen kann. Beim Carbon gibt es u.U. Brüche und Risse. Auch bei den Stativen gilt: so einfach und so solide wie möglich aber auch so leicht, dass man es noch schleppen kann. Die stativlose Reise auf die Seychellen hat mir gezeigt, ich brauche ein Dreibein.

Weitere Einsatzmöglichkeiten für das neue Novoflex TrioPod werden folgen. Die bereits beschriebenen finden sich  hier Test 1und  hier Test 2 und hier Test Teil 3.

Beide Varianten werden benutzt:

 

TrioPod im arktischen Einsatz mit dreiteiligen Alu-QLEGs 2830 unter der Novoflex TrioPod Stativbasis. Stabil und leicht! Ich kann es nur empfehlen, jeder kann sich aus diesem "Baukasten" das Stativ seiner Wahl zusammenbauen: kurze Beine, lange Beine, Carbon oder Alu, Leki-Stöcke...  © Achim Kostrzewa

Text und Fotos © Achim Kostrzewa im Juni/Juli 2014, update 27.1.15