Alaskas Bären - kaputt gemanaged?

"Bear viewing plattforms" schießen überall wie Pilze aus dem Boden in Alaska. Die Idee ist alt. Die m.W. erste Plattform gab es im Katmai NP am Brooks River an den berühmten Wasserfällen. Heute ist das so gebaut, dass die Fotografen in zwei Reihen hinter- und übereinander stehen. So eine Art Bärentheater. Nur im September ist hier was los, wenn die Lachse ziehen, dann stapeln sich die Profis mit den Stativen und langen Linsen. Sonst ist tote Hose. Siehe hier:

 

 Mein heutiges Fazit für Brooks Falls, muss ich nicht haben...  © Quelle: trip advisor & Scot Moran,

 

Diese Plattformen waren ursprünglich dazu gedacht, Mensch und Bär zu entflechten und die "Möchtegern-Tierfotografen" im Zaume zu halten. Man brauchte so weniger Ranger, die auf die Touristen aufpassen und, wenn immer mehr Gäste kommen, kann man auch Eintritt nehmen. Da der Platz begrenzt ist und immer mehr Leute kommen, steigen die Preise immer weiter. Und das nicht nur im Nationalpark. Auch im "Staatsforst", den State Forest Parks, auf der Wrangell Insel am Anan River, in Hyder am Fish Creek, demnächst vielleicht auch am Chilkoot River bei Haines: Plattformen.

 

Nun sind wir fast am Ende vom Licht angelangt, auf der Plattform am Fish Creek. Der Bär soll von da hinten kommen...  © A.Kostrzewa, D700, 28mm, TRIOPOD Stativ

...und das tut er auch: Grizzly im allerletzten Licht. (20:45) © A.Kostrzewa, D700, 6.400ASA, AF-S 4/300 mm, TRIOPOD-Stativ, Kabelauslöser, f/4, 1/250sec. da der Bär sich relativ schnell bewegt. Er hopste geradezu durch den Fluss, bestrebt einen Lachs mit den Pfoten auf den Grund zu nageln. Dieser hier lebt noch, windet sich. Das ist das beste Foto aus 4 Tagen, enttäuschend!

 

Der Fish Creek bei Hyder ist ein gutes Beispiel dafür. Wir waren hier schon einmal vor 20 Jahren. Es gab keinerlei Infrastruktur. Ein schmaler Feldweg führte von Hyder, the friendliest ghost town of Alaska, hinauf zum Salmon Glacier, vorbei am Fish Creek mit seinen Lachsen und Braun- sowie Schwarzbären. Da wo sich heute die Plattform breitmacht, gab es eine Verbreiterung des Weges zwischen einem Teich und dem Bach, wo gerade einmal 2-3 Autos Platz fanden. Dort standen wir mit dem Wohnmobil und konnten schon beim Frühstück rechts und links Bären sehen - und auch leicht fotografieren.

 

Ein Hauch von früher: oberhalb der Plattform haben wir noch einen kleinen Rest der alten "Straße" gefunden. Man kann auch auf der neuen Straße kleine Teile des Fish Creek einsehen. Wir haben dort beide Bärenspezies gesehen, aber keine Fotos zustande gebracht. Zu viele Störungen... © A.Kostrzewa (Aug. 2014) Ich könnte jetzt zum Vergleich alte Dias scannen, die ich vom großen Linhof Stativ mit der  F4s und dem superscharfen AIS Nikkor 3,5/400mm auf Sensia 100 aufgenommen hatte, habe aber keine Zeit dafür. Entsprechende Bärenbilder und ein Beitrag zum Thema: "Menschen, Bären und Lachse" finden sich in "Begegnungen mit dem Horizont - Alaska" CJ Bucher 1996. Eine sehr gute Beschreibung wie man sich im "Bärenland" zu verhalten hat, liefert Kollege Eckart Pott in seinem Buch "Alaska", LB Naturreiseführer, Landbuchverlag 1989. Leute, kann ich nur sagen, lest Bücher und nicht immer nur WIKI!

 

"Heute gibt es statt dessen eine breite, asphaltierte Zufahrtsstrasse bis zum Bärenzentrum (10km) und weiter führt sie breit und geschottert bis hinauf zum Gletscher (27km). Sie ist selbst für Exkursionsbusse geeignet. Die Zufahrtsstraße geht mitten durch das Bärenhabitat und trennt die Bären vom Fluss ab. Also immer wenn sie fischen wollen, müssen sie jetzt über die gut befahrene Straße wechseln.

Gut 100 Meter Plattform vom Zentrum zum Ende entlang des Flusses: da können sich die Bären kaum wohl fühlen. Und dann noch ein riesiger Parkplatz für all die Fotografen. © A.Kostrzewa (Aug. 2014)

 

Der flache Schottergrund mit den vielen Lachsen, der heute direkt vor der Plattform liegt, war früher wohl mal der Lieblingsangelplatz der Bären. Heute meiden sie diesen eher und man sieht mehr Bären von der Straße aus ober- oder unterhalb der Plattform fischen, als von dem morgens und abends mit Touris und Tierfotografen voll gepfropften Balkensteg! Aber die Leute kommen und bezahlen ihre 5 US $. Und der Ranger erzählt Stories über die Bären, die man hier schon gesehen hat. Und ja man sieht was, früh morgens und spät abends wenn kein Licht mehr ist zum Fotografieren, selbst für Digitalkameras. Es sieht gerade zu danach aus, als ob die Bären, oder eher, der eine Bär, der kommt, einem die Mittelklaue zeigen wollten. Also nix für Fotografen.

Fazit aus der Erfahrung von vor 20 Jahren - nicht mehr empfehlenswert.

 

Blondie, der Star am Chilkoot River

Ohne Plattform geht es derzeit noch am Chilkoot River bei Haines. Aber man darf auch hier nicht zuviel erwarten. Die meisten Bären sind scheu, bleiben auf der anderen Seite des Flusses, besorgen sich  schnell einen Lachs und verschwinden wieder in Deckung. Der State Park ist gut besucht, verfügt über eine gut ausgebaute Straße auf der rechten Flußseite und einen Campingplatz am See, man kann sogar Boote/Kanus mieten zum Paddeln oder Motorboote zum Angeln. Neben Grizzlies und Schwarzbären gibt es auch Weißkopfseeadler an mehreren Nistplätzen.

 

An dieser Stelle habe ich vor einigen Minuten noch selbst gestanden mit meinem TRIOPOD Stativ. Nun zieht die Bärin Blondie hier entlang und beachtet mich nicht weiter. © A.Kostrzewa, D700, 1.000ASA, AF-S 4/300 mit TC 14 = 5,6/420mm, TRIOPOD-Stativ, Kabelauslöser, f/6,3, 1/200sec. da die Bärin sich relativ schnell bewegt.

 

Der Trick mit dem Lachsgitter

Blondie hat es raus: die Lachse, die von der Strömung zurück an das Zählgitter gespült werden, sind leichte Beute auch im trüben Hochwasser des von wochenlangen Regenfällen gespeisten Flusses. Blondie nagelt den Lachs mit der krallenbewährten Pranke ans Gitter und beißt gleich in den Kopf, um an die schmackhaften Kiemen zu gelangen. Sonst fängt sie auch nur weibliche Lachse, denen sie die reifen Eier aus dem Bauch drückt und genüßlich aufleckt. Noch ein wenig vitaminreiche Haut und der Rest wird verworfen. Bis zu 15 Lachse erbeutet sie auf diese Weise, um dann gemütlich den Fluss abwärts zu wandern, wo ich schon an drei Stellen auf sie warte!

Der Lachs wird mit der Tatze festgehalten und dann gefressen  © Kostrzewa (Aug. 2014) D300, AF-S 4/70-200 @ 200, 800 ASA, f/5,6, 1/100 sec. freihand, VR

Das geht so: Auf etwa 100m ober- und unterhalb des Gitters darf man weder zu Fuß laufen, noch mit dem Auto stehen bleiben, sondern nur in langsamer Fahrt passieren. Stoppende Autos irritieren Blondie ganz offensichtlich. Aber danach ist der Fluss fest in der Hand der Lachsfischer; und der daran oder darin spazierenden Bären.

 

Die Bärenzone: 300 Meter ohne Fußgänger, Autos dürfen nur langsam passieren und nicht anhalten.  © Kostrzewa (Aug. 2014) D300, 28mm

Wo sind denn nun die Angler geblieben? © Kostrzewa (Aug. 2014) D300, AF-S 4/70-200 @ 200, 800 ASA, f/5,6, 1/80 sec. Freihand, VR

 

Blondie kommt also meist flußabwärts und inspiziert die Angelplätze, an denen sie wohl ohne Hochwasser erfolgreich gewesen ist. An drei dieser Stellen kann ich mich günstig platzieren und auch schnell zurückziehen, wenn sie zu nahe kommt. Dann fahre ich mit dem Auto zum nächsten Punkt und warte wieder. Dieses Spielchen haben Blondie und ich an mehreren Tagen betrieben. Morgens ist Gegenlicht oder nur wenig Licht, so daß ich auf über 1250 ASA gehen muss, bei der D700 an sich kein Problem, aber im dunklen Bärenpelz rauscht es dann schon etwas. Zunächst probiere ich den geordneten Rückzug mit dem Novoflex TRIOPOD Einbein unter dem 300er. Das klappt ganz gut, da kann ich mich auch mit ins Wasser stellen, was den Rangern nicht gefällt, Angler dürfen das, Fotografen nicht!? Beim nächsten Mal nehme ich also gemütlich das TRIOPOD als Dreibein und stelle es direkt ans Ufer. Ein weniger hektischer Ranger warnt mich zwar, ich solle vorsichtig sein, verjagt mich aber nicht. Die Bärin Blondie tänzelt derweil am Ufer in flachen Wasser entlang und kümmert sich kein bisschen um die Angler und Hobbyfotografen. Die Ranger haben mittlerweile auch Zutrauen in meine Urteilsfähigkeit gewonnen, nachdem ich mich als Denali erfahrener Biologe und "Bärenkenner" geoutet habe. Blondie prüft alle Anglerplätze auf Reste von Lachsen ab. Verbotenerweise bleiben beim Rückzug so manche Dose Bier und Lachsreste vom letzten Fang zurück...

So bei 20m Abstand beginne ich mich zurückzuziehen, ohne die Bärin provozierend anzuschauen. Auf einigen Fotos kann man nachher sehen, dass sie mich auch sehr wohl im Vorbeigehen fixiert.

 

Blondie am Ufer, meine Fotoperspektive ist die mit dem 300er an einer D700 (KB Formatsensor 24 x 36 mm). Sie blickt mir direkt in die Kamera. Daten: 1.250 ASA, f/4,5, 1/160 sec., TRIOPOD Stativ.

Hier unten im "Making of" wurde ich von meiner Begleiterin mit 105mm Tele fotografiert, was die Perspektive natürlich verkürzt, d.h. der Bär sieht näher aus als er wirklich ist. Ich habe schon aufgehört zu fotografieren und ziehe mich  gerade ruhig zurück. © Kostrzewa (Aug. 2014)

 

Gefahren im Bärenland

Ich hatte an sich vor gehabt, mir meine Isomatte zu holen und ein Nickerchen in der fahlen Sonne zu machen. Doch diese kontrollierte erste Bärenbegegnung am Chilkoot machte mir schnell klar, wenn du schläfst, bist du nur im Auto sicher! Wenn ich dagegen draußen tagsüber Adler beobachte, muss ich immer in alle Richtungen gucken können und mir den Rücken freihalten. Ein Bär geht vollkommen lautlos und allein das Fließgeräusch des Wassers überdeckt alles.

Michio Hoshino mit seiner motorisierten Nikon FE und dem AI-Nikkor 2,8/300 IF-ED auf einem Gitzo Stativ.  © Cronicle Books, San Francisco 1987

 

Es sind schon einige Bärenspezialisten und Fotografen bei der Arbeit zu Tode gekommen. Bekanntestes Beispiel ist wahrscheinlich der japanische  Naturfotograf und Biologe Michio Hoshino. Sein Bildband über die Grizzlies im Denali und Katmai NP ("Grizzly" - Cronicle Books, San Francisco 1987) zeugt von seinem tiefen Verständnis für diese Spezies. Er war mit seinem 300er immer nah dran, ohne Tarnung ganz offen. Getötet wurde er 1996 von einem "schlechtgelaunten" Männchen nachts in seinem Zelt irgendwo am Kurilensee auf der Kamschatka Halbinsel...  Hoshino setzte Maßstäbe in der Bärenfotografie und war natürlich auch Vorbild für mich (vgl. meinen  Artikel in Fotografie draußen, Heft 6/1992, "Von Wölfen und Grizzlies") als ich zum ersten Mal 1991 im Denali als Biologe für den US Fish & Wildlife Service unterwegs war, um Greifvögel zu zählen. Kollege Hoshinos trauriges Ende belegt allerdings zweierlei: Man darf sich nie sicher sein im Bärenland und Bären sind immer unberechenbar, wie auch folgender Bericht zeigt:

 

Dan Bigleys Bericht über eine fast tödliche Bärenattacke

"Es passierte am 14. Juli 2003 nach einem tollen Angeltag am Parkplatz des Campgrounds am Russian River (Kenai Halbinsel, Südalaska). Ich hatte kaum Zeit über den Bärenangriff nachzudenken, als er mich auch schon zu Boden rammte, mir die Luft aus den Lungen presste. Als seine Krallen in die Muskeln rissen, biss ich die Zähne zusammen und spielte "toter Mann" lag auf den Bauch gerollt, die Hände hinter dem Nacken verschränkt, die Ellenbogen fest geschlossen."

Dan hielt also alle Ratschläge, die für einen solchen Angriff gegeben werden, perfekt ein!

"Trotzdem drehte der Bär mich hin und her, als wenn ein Hund mit einer Socke spielt. Mein Kopf knallte auf Steine und Wurzeln, als der Bär mich in Bauchlage ins Gebüsch zerrte - das kann doch nicht wahr sein, dachte ich - und verlor das Bewusstsein. Ich erwachte mit dem vollen Gewicht des Bären auf meinem Körper, seinem heißen Atem im Gesicht. Meine Arme waren auf den Boden genagelt, ich konnte nichts tun, als er mich ins Gesicht biss. Ich sah ein blaues Licht, mein seit langem toter Großvater nickte mir aus der Entfernung zu, ich war am Sterben..." (Auszug aus der gedruckten Zeitschrift © ALASKAMAGAZINE.com; May 2013, freie Übersetzung A.Kostrzewa).

Hier im Foto der ganze Bericht. Dan wurde gerettet, sein Gesicht chirurgisch rekonstruiert, aber er hatte beide Augen verloren. Er lebt heute nach 10 Jahren glücklich verheiratet mit seiner Frau und zwei Kindern und geht immer noch angeln, blind wie er nun ist. Als durch und durch positiver Mensch hat er noch Sozialarbeit studiert und sein Schicksal angenommen. Meine uneingeschränkte Hochachtung vor dieser Stärke!

 

Ich will mit diesen Beispielen keinesfalls sagen, daß ich ein mutiger Bärenfotograf sei, der Bewunderung verdiene! Das Gegenteil ist richtig: Ich bin ein vorsichtiger Zeitgenosse, der um die Gefahren weiß und immer schon den Rückzug mit eingeplant hat. Man kann sich in diesem "Geschäft" keine Fehler leisten, ist man als Mensch doch meist den größeren Raubtieren in freier Natur hoffnungslos unterlegen. Aber man muß auch großen Respekt vor Wildschweinen, Elchen, Hirschen, Seebärenbullen, Seeelefanten und ähnlichem Getier haben. Adrenalinjunkies und ahnungslose Touristen haben da nix zu suchen.

Die Bärin Blondie ist nun etwas ganz besonderes. Sie scheint an die Zaungäste und Angler gut gewöhnt, zieht am Chilkoot See ihre Jungen groß und ist friedfertig. Auf der Rückreise nach Frankfurt berichtete mein Sitznachbar, ein Schweizer Kriminalpolizist von seiner Erfahrung mit Blondie, er war einige Tage vorher da gewesen: "Die Bärin kam diesmal nicht innerhalb der Absperrung aus dem Wald, sondern weit dahinter. Sie muß von allen unbemerkt die Strasse entlang gekommen sein und drängte sich dann von hinten durch die wartende Menschenkette, mit einem Meter Abstand zum nächsten Beobachter, um dann am Wehr ins Wasser zu gehen..." Blondie benutzt sogar die Straßenbrücke über den Chilkoot River, wie der gleiche Beobachter erzählte, diese Story berichteten mir auch die Ranger. Man kann die Bären also überall treffen, sogar wenn man morgens die Chilkoot River Lodge verlässt.

Blondie hat in diesem Jahr ein schweres Schicksal hinter sich: Ihr einziges Junges wurde von einem männlichen Grizzly getötet!

  © A.Kostrzewa (Aug. 2014)

 

Fazit für Chilkoot: Solange es keine Plattform gibt, kann man da hinfahren und sich wohlfühlen. Die Aufnahmen wirken natürlich und sind mit einfachen Mitteln zu erstellen, ohne jetzt Riesenlinsen zu bemühen, die in ungünstigem Winkel von oben auf die Bären zielten. Ich benutze standardmäßig für die Tierfotografie ja nur noch die beiden Reiselinsen AF-S 4,0/300 und 4,0/70-200 VR mit dem TC14eII Konverter falls nötig. Das leichte TRIOPOD als Stativ drunter und fertig.

Wohnen kann man ganz prima und komfortabel bei Suzanne & John in: "The Nest at Newton Cove" (www.thenestatnewtoncove.com). Zwei Schlafzimmer, Bad, Küche, Essgelegenheit und Wohnzimmer in einem hellen großen Raum mit großen Fenstern zum Meer hin. Liegt auf halber Strecke günstig zwischen Haines und dem Chilkoot State Park direkt am Lutak Inlet mit einem tollen Blick aufs Meer und - für mich wichtig - einer komplett eingerichteten Küche.

Ein Reisebericht der ganzen Rundreise durch Kanadas Provinzen B.C. und Yukon, sowie Südalaska wird folgen.

Ergänzung: zu allerletzt - Bären jagen nicht nur Fotografen in die Flucht, sondern bemächtigen sich auch ihrer Kameras, wie hier:

http://www.lensrentals.com/blog/2012/05/the-damage-waiver-bearly-covered.this-one

Es ist glücklicherweise nochmal gut gegangen bei diesem "Angriff" im Yellowstone NP, nur die Kamera kam zu Schaden.

© Text und Fotos: Achim Kostrzewa   (Aug.- Sept. 2014)