Megapixelmania und die Diffraktionsfalle

Erste Zweifel an der Abbildungsleistung meiner D300 kamen mir, als ich wieder 2010 anfing ein paar Pflanzenmakros auf Eifelwiesen zu machen. Mit der D700 waren die Bilder besser, d.h. schärfer. Mit der D300 hatte ich den Vorteil des Cropfactors von 1,5 x, was beim 55mm Micro-Nikkor sich dann zur eff. Brennweite von 82,5mm und beim 4/105 zu satten 157,5mm multiplizierte. Auf Film (Velvia 50) hatte ich, wenn erforderlich durchaus bis f/16 abgeblendet. Genauso in der Landschaftsfotografie mit den Weitwinkeln AF 24-50, den Festbrennweiten AF-D 14mm, Tokina SL 3,5/17mm, AIS 2,8/20mm, AI 3,5/28mm, AF-D 18-35, AF 28-85mm. Beim Weitwinkel galt ja zu Filmzeiten durchaus: "Kragen zu, wegen des Gewinns an Tiefenschärfe." Eine weitere Faustregel war: "erste und letzte Blende meiden."

Die D300 war meine erste digitale Spiegelreflex, es fehlte also noch an jegweder Erfahrung auf diesem Gebiet und auch an der Vergleichsmöglichkeit. Vorher hatte ich nur eine Bridgekamera, die Sony R-1, benutzt. Und da war die Nikon in einigen Gebieten, wie dem Rauschverhalten um Längen besser. Außerdem hatte ich erst mit der D300 angefangen in RAW zu fotografieren und die Bilder in Capture NX zu entwickeln. Als ich dann Anfang 2010 zur Ergänzung im Weitwinkelbereich eine D700 erstand, war ich hochzufrieden, die Ergebnisse bei der Landschaftsfotografie waren besser, was ich den größeren Pixeln zuschrieb.

Dann kam die D800 (siehe dort) heraus und Beugungsunschärfen oder Diffraktion wurden thematisiert. Das war mir zwar nicht neu, gerade in der Makro- und Mikrofotografie kennt man das Problem der "förderlichen Blende." Hatte dem aber für die Landschaftsfotos (aufgrund meiner Erfahrungen mit Film) keine so große Bedeutung beigemessen...

2010 habe ich dann in Schweden viele Flechten fotografiert, die ja schön platt auf den Steinen wachsen und mit Stativ leicht scharf abzubilden sein sollten. Komischerweise waren sie bei f/16 und der D300 nicht so toll, wie ich mir das gedacht hatte. Anders bei der D700, da waren die Aufnahmen im unbearbeiteten RAW knackscharf. Stutzig geworden, denn das Micro Nikkor AIS 2,8/55mm ist eine anerkannte optische Perle, habe ich danach bei der D300 mehr mit Blendenwerten von 8 und 11 gearbeitet, und siehe da, die gewohnte Schärfe war wieder da! Ich habe dann einige Testreihen mit dem 55er an der D300 angestellt: 2,8 und 4 weggelassen und dann von 5,6 bis 32 wieder Flechten (wegen ihrer Planlage und Verfügbarkeit in meinem Steingarten) am Reprostativ mit genauester Fokussierung über LiveView unter realistischen 400 ASA durchgeführt:

  

Hier das ganze Bild bei Blende 8, der Ausschnitt liegt also gestalterisch im goldenen Schnitt

in 100% RAW Ansicht ergibt sich folgendes (hier ein Ausschnitt als 100% JPEG):

f/5,6 - sehr gut

 

f/8 - topp

 

f/11 - gut

 

f/16 - na ja, geht so

 

f/22 - "wird unscharf"

 

entsprechende JPEG's sind hier als Ausschnitte unbearbeitet eingeklinkt. f/32 -  habe ich gleich weggelassen, weil grauenvoll...

Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Unterschiede im RAW deutlicher hervortreten, als in den hier gezeigten JPEG's.

Ein wenig Recherche brachte dann einige Artikel zu Tage, die meine Erfahrungen bestätigten: Die Megapixelmania ist jetzt schon ausgereizt, wenn man aktuellen technisch-physikalischen Veröffentlichungen in der Photopresse Glauben schenkt. http://www.photoscala.de/Artikel/Wie-viele-Megapixel-verkraftet-eine-Kamera . Der Autor mit dem Kürzel "thoMas" schreibt am  21. Mai 2012 einen diesbezüglichen sehr praxisnahen Artikel. Seine vereinfachende Konklusion aus der optischen Physik dazu wäre die Faustformel:

maximal einzustellende Blende  = 2 x brutto Pixel-Seitenlänge => sonst Unschärfe durch Beugung

Er präsentiert dazu folgende einfach zu verstehende Tabelle:

Die Tabelle lässt folgende Schlüsse in Bezug zu meiner Ausrüstung und häufig benutzten Kamera-Objektiv-Kombinationen (bei je 12 MP) zu:

D300  - mit Makro Optik nicht weiter als F/8 bis max. f/11. Mit dem 600er tunlichst bei f/8 bleiben. Habe bei der Durchsicht von WW Aufnahmen zum Beispiel aus Island 2009 mit der D300 schon festgestellt, das die mit f/16 oder noch kleiner aufgenommenen im 100% Modus nicht mehr richtig scharf sind. Die Praxis zeigt also, das die Formel stimmt. Die D300 wird also nur noch in ihren engeren Grenzen genutzt, mache jetzt deutlich mehr mit der D700.

D700 - kann ich bei WW durchaus noch bis f/16,8 und zur Not bis  f/16-22 nutzen. Also genauso weiter fotografieren, wie bisher. Das macht mir diese Kamera weiterhin sehr nützlich. Bin sehr zufrieden damit.

Da mir die obige Tab. etwas grob eingeteilt (ungenau) erschien: Die D700 hat eine Pixelgrösse von 8,4 x 2 = F/16,8, habe ich eine eigene Tabelle (als Nachtrag am 21.8.) von für mich interessant erscheinenden Kameras zusammengestellt, die vom Four-Thirds bis zum Mittelformat reichen und nach dem Kriterium Pixelgröße angeordnet sind:

Hersteller Typ Pixelgrösse
Nikon D700 8,40
Nikon D4 7,30
Canon 1 D X 6,90
Leica M 9 6,80
Hasselblad H4D-31 6,80
Canon 5 D Mk 3 6,25
Hasselblad H4D-40 6,00
  H4D-60 6,00
  CV-50 6,00
Leica S 2 6,00
Nikon D3x 5,90
Sony Alpha 900 5,90
Canon 1 D Mk 4 5,70
Nikon D300 5,50
  D7000 4,80
  D800/ 800E 4,80
Canon 7 D 4,30
Olympus OM - D 3,75
  Tabelle AKo 8/12

Wobei wieder gilt: Pixelgröße mal zwei gleich Grenzblende oberhalb derer Diffraktion eintritt oder zumindest eintreten sollte.

Mein vorhandener "Objektivpark" sollte nicht über 16 MP beim 24 x 36mm Chip benutzt werden. 24 MP für die Landschaften wäre zwar schön, werden aber schnell grenzwertig, da Blenden oberhalb von f/11,8 nicht mehr praktikabel erscheinen und die Randbereiche der verwendeten Objektive möglicherweise nicht mehr hinreichend gut sind, das bliebe aber auszuprobieren. Bei 36 MP verbleibt nur noch Blenden bis f/9,6. Leider gilt diese gleiche Grenzblende dann für die D7000...

Interessanterweise senkt Canon beim neuen Flagschiff 1DX die Zahl der MP auf 18 und erhöht so durch Vollformat die Pixelgröße auf 6,9. Ähnlich bei der D4. Für mich heißt das doch, die Profis kriegen, was ihnen wirklich nützt und die Amateure werden weiterhin mit Pixelmonstern - Motto: viel hilft viel - geködert. Unterhalb von 6 Mikron liegen dann überwiegend Amateur- oder "Spezial"modelle...

Mamiya 645 - je nach Rückteil 20MP oder 39 MP nur bis f/12 oder 13,6, da muß ich beim WW Einsatz schon aufpassen. Auf Film hatte ich sehr oft bis f/16-22 abgeblendet und war mit der Qualität auf Velvia sehr zufrieden. 60 oder gar 80 MP Chips machen mit den vorhandenen Mamiya Objektiven (3,5/35mm; 2,8/55mm, 2,8/80mm, 3,5/150mm) keinen Sinn mehr. Habe noch viel Velvia im Tiefkühlschrank, werde dies in Zukunft wieder nutzen.

Fazit: diese hilfreiche Tabelle deckt sich mit meinen praktischen Erfahrungen. Werde mich an die Schlußfolgerungen halten und nicht über die Leistungsgrenzen hinausgehen, und sollte ich die D300 mal ersetzten, wieder komplett ins Vollformat wechseln (und das 600er mit 1,4 x Konverter nutzen).

(c) Achim Kostrzewa 19.8.2012, überarbeitet und ergänzt am 21.8. und 11.9.12