Die verschiedenen Hammond Modelle in Rock und Jazz:

 

„The real thing“ B3 - C3 - A100 sind technisch so gut wie gleich. Sie haben den gleichen Tonradgenerator, jeweils 2 Manuale mit je 61 Tasten und einer Oktave invertierter Tasten, die als Presets dienen, 2 x 2 Sets Zugriegel zu je 9 Lagen, dazu gehört ein Fußbass mit 25 Tönen, der mit 16“ + 8“ registriert ist. Das sind die „großen Konsolen Modelle“. Die B3, das Konzertmodell mit den charakteristischen, gedrechselten runden Beinen, die C3 als Konsole für die Kirche. Beide haben keine Einbaulautsprecher und werden direkt an ein Hammond TR-40 Tonkabinett (mit fest installiertem Lautsprecher) und/oder einen Mod. 122 Leslie-Lautsprecher (Rotationslautsprecher) angeschlossen. Für Kirchenorganisten gab es noch die RT3, eine C3 in breiterem Gehäuse, damit ein 32-töniges Basspedal darunter passte. Dieses Modell wird z.B. von Frank Chastenier (WDR Big Band, meine Lieblingsnummer: „Red House“ mit Hiram Bullock an der Stratocaster, aus „Tribute to Jimi Hendrix“) gespielt. Die A100 ist das Wohnzimmermodell mit fest eingebauten Lautsprechern. Daher sind letztere meist in bestem Zustand, obwohl  über 60 Jahre alt (1974/5 wurde die Produktion der Tonrad-Modelle eingestellt). B3 und C3 waren mit Leslie sehr teuer (Ende der 1960er Jahre >15.-20.000 $) und konnten längst nicht von allen interessierten Musikern bezahlt werden. Sie hatte aber den unverwechselbaren Vorteil der sog. „Waterfall“ Klaviatur, die sich extrem schnell spielen ließ und Glissandros mit der flachen Hand sehr leicht ermöglichte, ohne mit den Fingern hängen zu bleiben. Organisten wie Emerson oder Lord u.v.a. haben davon weidlich Gebrauch gemacht. Wegen des hohen Preises der „Konsolen“ kommen die sogenannten „Spinett“ Modelle (2 x 44 Tasten, Fußbass nur als 1-oktaviges Stummelpedal, C-C) ins Spiel wie die L100, die „Keith Emerson Orgel“ oder die besser ausgestattete M100 (Mathew Fisher, Procul Harum; Steve Winwood, Traffic; Richard Wright, Pink Floyd; JJ Kravetz, Frumpy z.B.). Beiden Orgelfamilien ist gemeinsam, das sie einen elektro-mechanischen Tonradgenerator und zeitgemäße Röhrenverstärker benutzten. Angeschlossen werden die Konsolen direkt am Leslie 122/145 über eine 6/11-polige Buchse, die Spinetts (aber auch die A100 wegen der eingebauten Lautsprecher) über ein Adapter (der die internen Lautsprecher im Orgelgehäuse stumm schaltet und den Verstärker schützt) mit 6-poliger Buchse an das Leslie 147/145. So eine M100 konnte ich im Probenkeller einer Band kurz vor meinem Abi mal anspielen. Das hat was!

Die Technik der Tonerzeugung mit dem Tonradgenerator ist hier: https://www.wikiwand.com/de/Hammondorgel gut beschrieben.

 

   

B3 von Innen mit Röhrenleslie 122 (auf Röhre umgebauter Transistorleslie 760N)  Fotos © Achim Kostrzewa

Maestro Jon Lord mit seiner "klassischen" Rock Kombination C3/B3 mit Röhrenleslie 122 und ausgekoppeltem Marshall Gitarren Amp für den "richtigen" Overdrive.

Orgelsignal via Leslie mit leichtem Overdrive und hartes Overdrive Signal vom Gitarrenamp werden anschließend entsprechend gemischt (Quelle:  http://www.hammondtoday.com/2015/12/04/jon-lord-talks-about-his-hammond-organ-sound/)

 

Mit Beginn der 1975er Jahre wurde bei Hammond die Röhrentechnik beerdigt und auf Transistor umgestellt. Weitere Modifikationen betrafen den „Key-Click“ und einige andere klangliche Charakteristika wie „Percussion, Fold-back und Tappering“, die man verändern oder ausmerzen wollte, weil sie von den Ingenieuren immer schon als technische Fehler (miß)-verstanden wurden, aber den charakteristischen „Hammond“ Klang ausmachten, der im Jazz und Rock so charakteristisch war. Dies mündete in die T-Serie der Spinett Modelle (T100, T200, T500); sie hatten immer noch den originalen elektro-mechanischen Tonradgenerator, aber nicht mehr die „anfällige“ Röhrentechnik. Diese „Heimorgeln“ kann man heute in gutem Zustand für wenige 100 Euro bekommen, muß die allerdings aufwändig „rückbauen“ (u.a. die Filterbänke beseitigen) um den richtigen Hammond Sound wieder herzustellen. Dazu ist auch mindestens ein DIY-Röhrenvorverstärker nötig, um den „richtigen“ Overdrive durch Röhrensättigung zu erzeugen. Bei dem Aufwand muß man selber „gut löten“ können oder auch gleich nach einer günstigen M100 oder gar A100 suchen… Und für die „gerührte Luft“ des Original Leslies 122 oder 145/7 in gutem mechanischem Zustand (der beiden rotierenden Schallumleiter) mit einwandfreien Lautsprechern und  Röhrenverstärker (mit neuen Röhren, Widerständen und Kondensatoren) sind auch sicherlich >1.000-1.500 Euronen fällig. Zerschrammte Bühnengeräte gibt es preiswerter. Ersatzteile gibt es z.B. bei Hammond Europa oder in den USA und auch bei „B-3-Guys“ u.a. Hammond Spezialisten wie (EIS ist pensioniert) Thonewheel Clinic, GEOFF oder Captain Foldback u.v.m. ACHTUNG: Europäische Orgel Modelle laufen mit 50 Hz Wechselstrom 230 Volt. Die amerikanischen allerdings mit 60 Hz und 115 Volt. Daher kann man amerikanische Modelle zwar umbauen, das ist aber teuer (Frequenz + Spannungskonverter, sonst ist die Stimmung eine kleine Terz zu tief). Weitere Einzelheiten über die Funktion der Hammond Orgel kann man dem WIKI Artikel entnehmen (die Beschreibung des Leslies ist dort falsch: der Hochtöner enthält nur einen Treiber, obwohl das Horn doppelt ausgelegt ist. Das hat aber nur mit seiner Schwungmasse zu tun!) Das Netz ist eine Fundgrube für Artikel über Hammond Orgeln, Reparatur und Ersatzteile. Wenn man nicht selber ein wenig vom Löten und E-Technik versteht, braucht man einen versierten Techniker in seiner Nähe… Eine alte, originale Hammond ist wie ein altes Motorrad oder englischer Roadster: man muß nicht nur fahren/spielen, sondern auch schrauben können :-)

Achtung: Hammond ist nicht gleich Hammond, leider klingt jede Orgel etwas anders, die einen eher soft im Mowtown Stil, die anderen sehr jazzig mit viel Keyklick im Jimmy Smith Stil und die Rock Orgeln sehr rotzig mit viel Crosstalk, Keyklick und gutem Overdrive! Wie kommts? In so einer Orgel steckt viel Elektromechanik, das fängt mit dem Tonradgenerator an, dann kommt der Vibrato-Scanner, die Hallspirale, die Tastenkontakte und letztendlich die Elektronik mit handverdrahteten Widerständen, Kondensatoren, Röhren und Trafos. Alle diese Bauteile altern, das heißt ihre Leistungsdaten und Kennlinien verändern sich und sie haben per se viel größere technische Spielräume als Transistor- oder gar IC Technik. Sprich, wenn man eine ausgeleierte, aber toll klingende Rockorgel komplett überholt, (vor allem die ausgelatschten Kondensatoren erneuert), kann es gut sein, das sie sich in eine wieder präzise arbeitende, aber kreuzbrave Gospelorgel verwandelt, die man dann wieder mit diversen Tricks zu einer Rockorgel aufpimpt. Auch gibt es zwischen der Röhrenendstufe und den Lautsprechern eine gegenseitige Beziehung, die sich deutlich auf den Klang/Sound auswirkt; man kennt das von verschiedenen Gitarrentypen in Kombination mit Fender oder Marshall Röhrenverstärkern und den zugehörigen Boxen. Bei Transistorverstärkern (oder MOS-Fets) erwartet man ein lineares Signal, was die Lautsprecher speist, die dieses auch möglichst unverzerrt (quasi HIFI) wiedergeben. Bei einem Gitarrenstack oder Orgellautsprecher passiert ein Teil des Sounds aber erst hinter dem Instrument in der Vorverstärker-Verstärker-Lautsprecher-Kette, die damit zum Teil des Instrumentes und seines charakteristischen Röhren-Sounds werden. Das ist einer der Gründe, warum digitale Hammonds immer noch am besten über originale Röhren-Leslie Boxen klingen, weil hiervon ein mehr oder weniger (je nach Musikstil) bedeutender Anteil des charakteristischen Sounds kommt. Das gilt m.E. besonders für Elektro-Blues und Rockmusik.  Ein gutes Beispiel ist die Club-Kombi von Sammy Avila (spielt bei Walter Trout: SK-1/73 auf ein über Vorverstärker (Leslie Pre-Amp) adaptiertes Röhren-Leslie. Das spart 100 kg Transportgewicht.

Was kann man klanglich an der Hammond einstellen? Nicht viel: Die Lautstärke über die Zahl und Stellung der Zugriegel und mit dem Schwellerpedal, außerdem steigt die Lautstärke mit der Zahl der gleichzeitig gedrückten Tasten. Am Ausgang liegt im Gehäuse der Orgel der Vorverstärker. Der bringt das schwache Orgelsignal soweit hoch, das es die Lautsprecherendstufe in der Lesliebox ansteuern kann. Da gibt es ein Poti, das als Tonblende funktioniert („Tone“). Man kann hier den Ton von dumpf über klar bis schrill einstellen. Die Voreinstellung liegt irgendwo im ersten Drittel bei dumpf-klar. Am Leslie gibt es ebenfalls im Gehäuse, da wo der Röhrenendverstärker links unten wohnt, rechts vorne auf dem Chassis ein Poti mit der Stellung von 1-10. Das steuert die Eingangsempfindlichkeit des Leslies. Die Bedienungsanleitung stellt fest, das man nur soweit „aufdrehen“ soll, daß die Orgel den Leslie nicht übersteuert. Rockorganisten bevorzugen hier aber die Stellung 10, um möglichst früh in die Röhren-Sättigung zu gelangen und steuern den Overdrive mittels des Schwellerpedals und weiteren Tricks wie eingeschleiften Boostern. Das führt dann oft dazu, dass als erstes der originale Jensen V21 Mittel-Hochtöner abraucht und durch eine stärkeres Modell ersetzt werden muß. Auch die Röhren „leiden“ unter der Dauerbelastung des vollen Overdrives. Und im Probenraum fliegen einem die Ohren weg! Da hilft nur in der Orgel die Vorverstärkung zu erhöhen, damit der Endverstärker im Leslie schon früher (dadurch aber insgesamt leiser) in die Sättigung fährt. Diese Technik ist was für Connaisseurs und im rauen Bühnenalltag schwierig am Laufen zu halten. Große Bands, die früher voll auf den Hammond Sound gebaut haben, hatten auch immer Röhren, Leslies und sogar Ersatzorgeln und einen versierten Techniker im Gepäck…

 

Digitalclones

Oder man greift heute gleich zum Digitalclone. Da gibt es viele: angefangen mit der Korg BX-3/CX-3. Die Korg-Orgel kam seit den 1979er Jahren auf und basierte ab dem Jahr 2000 (Mark II); auf einem programmierbarem DSP Chip, wie auch die Hammond XB 1, XB 2. Gespielt über ein richtiges Leslie, klangen die schon ziemlich gut, „amtlich“ sagt man im Jargon. Im Live-Bandkontext konnte man je nach Spielweise kaum einen Unterschied hören, solange man Jazz und leichten Rock spielte. ABER: Eine abgenudelte 1960er B3/C3 mit jeder Menge Crosstalk, Keyclick und gealterten Kondensatoren braucht es für den richtig dreckigen Rocksound. Dazu Effekte wie echtes Röhren-Overdrive eines voll aufgedrehten Leslie 122/145/147, bestehend aus Verzerrung im Preamp und Sättigung der Endstufe, plus der mechanischen Eigenschaften des übersteuerten Lautsprechers, die sind bis heute nicht (richtig gut) zu kopieren/emulieren.

Jedes neue Modell, auch die von Hammond-(Suzuki) selbst versprechen es, aber ich bin noch nicht voll davon überzeugt. Vielleicht noch am besten sind die Xk-3 oder die neue Xk-5 mit eingebautem Röhrenvorverstärker. Die können aber nur Orgel.

Was sich im Bandkontext über eine Stereo Keyboard Verstärkung mit digitalem Leslie und Vibrato noch ziemlich gut anhört, weil der mikrofonierte (Mono) Leslie über die PA nun gleich in Stereo kommt, hat seine Grenzen im Hard Rock ganz schnell erreicht. Der digitale Orgel-Overdrive ist nur in seiner leichtesten Form zu gebrauchen, je mehr Tasten man gleichzeitig anspricht, je stärker wird der additive Effekt: was bei einem Lauf noch gut klingt, wird beim Übergang zu komplexen Akkorden einfach grauenvoll „kratzig“, da klingt nix mehr nach Röhre, selbst wenn man das Volumenpedal dann ganz zurücknimmt, dann nimmt der Effekt zwar wieder ab, aber die Dynamik der Gesamtlautstärke stimmt nicht mehr. Abhilfe schafft nur die reine (digitale) Orgel ohne Leslie-Effekte (mono mit einem selbst hergestellten Spezialkabel am 8-poligen Leslieausgang der SK-1 Modelle) abzugreifen, in einen kleinen Röhrenvorverstärker zu schicken und für die Röhren-Verzerrung über einen extra Röhren-(Gitarren)-Verstärker vom Marshall Typ mit EL 34 Röhren auszugeben. Oder eben gleich (via Adapter) in ein „richtiges“ Leslie zu schicken, das man in die Röhrensättigung fährt. Dann hab ich zwar nur 10-20kg Orgelkeyboard aber wieder eine 50-70 kg Lesliebox.

Mein Fazit beim Rock-Overdrive der Clonewheels, die ich probiert habe: kannste vergessen. Jimmy Smith Sound, wie auch Pianos und E-Pianos, Solina String oder diverse Synths u.a. geht sehr gut über Studio Monitore, noch besser mit Subwoofer, wie meine Yamaha HS8 mit dem HS8 Sub. Für mein kleines Heimstudio suche ich noch nach einer Lösung mit meiner Hammond SK1-73 einen guten Röhrengrowl bis zum Jon Lord Overdrive kurz oberhalb von Zimmerlautstärke zu erzeugen.

Die weiteren Instrumente, die dieses Stage Keyboard auch noch an Bord hat, werden weiterhin am Line Out L/R abgegriffen und gehen in die Stereo Monitor Boxen (via Yamaha MU 10 Mixer in die Yamaha Monitore mit Subwoover). Leider steht dann die Röhrenverzerrung nicht für Wurlitzer- und Rhodes Pianos zur Verfügung, sondern nur für die B3-Orgel. Ich arbeite da derzeit an einer DIY Lösung mit einem zweistufigen Stereo Röhrenvorverstärker mit je zwei hintereinander geschalteten 12AU7 Vorstufenröhren, der zwischen Lineausgang und Mixer hängend dann den „Röhrensound“ für Orgel und Piano ermöglicht. Den Bauplan habe ich fertig, im Winter wird gebaut. Kostenpunkt >200,- € mit H2 19" Rackgehäuse und 15 V Netzteil und zwei Paaren gematchter Röhren, bei Reußenzehn kostet so etwas Richtung 1.000 Euronen. DIY macht mir aber mehr Spaß...

UPDATE: Corona bedingt habe ich mich in den Monaten Sept. 20 - Jan. 21 mit dem Aufbau eines passiven Leslies "2.45" aus Originalteilen in einem gekürzten 251er Gehäuse beschäftigt und betreibe dies mit einem Marshall Origin H50 Amp. Da kommt Sound raus, das macht Freude in die Tasten zu hauen.

Den Zugang zu meiner überarbeiteten Hammond-Leslie-Seite finden die hier: http://www.antarktis-arktis.de/Hammond%20Orgel.htm

 

© Achim Kostrzewa (2016-18 und update 2/21)