Polar- oder Nordlichter fotografieren, wie geht das?

 

  

Mond zur blauen Stunde über der Hudson Bay (Teleobjektiv 400mm + TC14) und Polarlicht (Weitwinkel 18mm) in Ostgrönland. Ein gutes Stativ ist die Voraussetzung für solche Aufnahmen.  © Achim Kostrzewa

 

Man braucht zu allererst einen Platz zum Fotografieren, ohne Streulicht, Zeit, einen bequemen Stuhl und Kaffee.

Dann braucht man eine Kamera, die man manuell bedienen kann. D.h. alle Automatik muß ausgeschaltet werden können. Das können nur die etwas besseren Modelle, egal ob Bridge- oder Spiegellose- oder gar noch Spiegelreflexkamera. Ich benutze immer noch am liebsten Reflexkameras, weil, das mache ich schon ewig (>40 Jahre). Es geht aber mit jeder manuell bedienbaren Kamera. Was braucht man noch dazu?

·       Ein solides Stativ

·       Einen guten Stativkopf, ich bevorzuge Kugelköpfe

·       Einen L-Winkel für die Kamera, das erleichtert Hochformataufnahmen

·       Einen Kabel- oder Funkauslöser

·       Übung, denn man muß das Ganze im dunkeln bedienen können, möglichst ohne Taschenlampe

·       Ein starkes Weitwinkelobjektiv mit definierter Unendlicheinstellung, das sind meistens Festbrennweiten. 14, 15, 18 oder 20mm sind ideal. Beim Weitwinkelzoom muß man etwas tricksen mit der oo-Einstellung, wie, erkläre ich später.

·       Eine Kamera mit manueller Zeit- und Blendenkontrolle. Auto-ISO muß man abschalten. Ebenso das AF-Hilfslicht (das stört bloß und blendet, nimmt einem die Nachtsicht, siehe Bedienungsanleitung) und den AutoFocus selbst. Gut ist es, wenn die Kamera eine Rauschunterdrückung für Langzeitbelichtungen hat. Diese bitte einschalten! Die Anti-Verwackelungstechnik auch AUSschalten! WB auf manuell bewölkt!

·       Eine gute Ausgangsposition wären: 2.000 ASA, f/4 (Zoom) und 10 Sec. Belichtungszeit. Da sieht man auch schon, daß eine gute Festbrennweite mit einer Öffnung von 2,8/14, 15 oder 18mm, die ASA Einstellung gleich halbiert, was zu deutlich weniger Rauschen führt.

 

Ich persönlich benutze meine D750 (früher „Kleinbild“ heute „Vollformat“ 24-36mm, es geht natürlich auch mit kleineren Formaten, „Halbformat“= APS-C, „Viertelformat“= mFT, aber wohl nicht mit jeder Kamera und nicht mit jedem Objektiv) mit dem 18-35mm Zoom dafür. Weil, auf Reisen muß man überall am Gewicht (Handgepäck, Airline) sparen. Das 18-35 brauche ich nur selten, meist für Innenaufnahmen. Aber es ist klein und leicht und in der 18mm Stellung gut für Polarlichter geeignet. Es hat als Zoom leider keine fixe oo-Einstellung.

 

  

Links: mit Tape fixiertes Zoom in oo-Einstellung für 18mm, mittels Live-View und Lupe eingestellt. Rechts: Virtueller Horizont im Hochformat, die Grüne Linie zeigt Horizont okay, die Gelbe zeigt an, daß die Kamera nach oben geneigt ist. So sieht das bei Nikon aus, andere System haben andere Anzeigen! © Achim Kostrzewa

 

Da kann man sich wie folgt helfen: Man setzt die Kamera mit ausgeschaltetem AF TAGSÜBER aufs Stativ, benutzt den „Live View“, peilt einen einen entfernten Punkt an, den man gut scharfstellen kann (Gebäude, Mast o.ä.) schaltet die Sucherlupe ein und stellt genau scharf. Dann nimmt man ein Stück Tape und fixiert die gefundene Entfernungseinstellung, möglichst auch gleich die Brennweite. Wenn sie nämlich die Brennweite ändern, ändert sich auch die oo Entfernung! Aber Achtung, das funktioniert nur bei Objektiven, die die Entfernungseinstellung auch wirklich mechanisch auf die Linsen übertragen! Es geht z.B. nicht bei allen meinen Fuji XF-Objektiven, deren Drehring überträgt die Daten bloß elektrisch also digital L, man kann die Einstellung also nicht wirklich fixieren… Sprich, nicht jedes noch so schöne System ist wirklich für alles geeignet. Der Tape-Trick klappt aber beim (ziemlich teuren) XF 2,8/14mm (wirkt wie 21mm bei KB), das sich am Entfernungsring auf Manuell-Fokus umstellen läßt. Das kann man dann tapen, am besten gleich auch die Blende auf 2,8 fixieren.

Dann kommt noch eine Schwierigkeit: der Horizont, wenn einbezogen, sollte gerade sein J. Da hilft der sog. „virtuelle Horizont, eine Anzeige, die man im Sucher oder auf dem hinteren Display einstellen kann. Auch das kann man unter Tageslicht schonmal üben und einstellen.

 

Arviat - Nordkanada

Ich schnappe mir die vorbereitete Kamera mit dem auf unendlich fixierten Weitwinkel und raus geht es in die eisige Kälte. Wir haben großes Glück, denn der Mond wäre an sich ¾ voll… Die Polarlichter steigern sich langsam. Nach einer knappen Stunde endet die Lightshow. Mache 31 Aufnahmen mit dem vorher eingestellten Weitwinkel. In den weiteren drei Nächten nur sehr schwache Lichter, die überwiegend weißlich erscheinen. Eignet sich nicht für Fotos.

 

     

Stativ, 18-35mm Zoom auf 18mm, Kamera manuell auf f/4, 10 sec. bei 2000 ASA und schon geht es los. Die exakte horizontale Ausrichtung der Kamera macht man am besten mit dem "virtuellen Horizont", denn im Sucher kann man so gut wie nix sehen. © Achim Kostrzewa

 

Spezialanwendung: Polarlichter vom Schiff aus

Hier gilt es die Schiffsbewegung zu kompensieren: Fahren, Rollen und Stampfen müssen ausgeglichen werden. Das geht in der Praxis nur durch kürzere Belichtungszeiten von etwa einer Sekunde. Dazu muß dann die ASA Zahl (Empfindlichkeit des Chips, respektive Nachverstärkung im Kamera internen Rechner) deutlich erhöht werden.

Die ersten Polarlichtaufnahmen vom Schiff aus stellen sich schwierig dar: zu viel Bewegung (Rollen) für 3-4 Sekunden Belichtung. © Achim Kostrzewa

Polarlicht Nacht um 22:15. Diesmal tanzen die Lichter und ich muß die Belichtung auf 1 sec. verkürzen, um einigermaßen scharfe Bilder zu bekommen. Wieder enorm viel Ausschuß, weil die Ocean Nova "wackelt."  © Achim Kostrzewa

Später am Abend dann die ersten Nordlichter über der MS Ocean Nova! Kundenfreundlich um 23:15 für eine dreiviertel Stunde. Der Kapitän hat alle Lichter auf dem Oberdeck ausgeschaltet. Wir sind auch völlig allein hier in den Ostgrönländischen Fjorden. Wir machen etwa 60 Fotos. Wegen der Belichtungszeit von 3-4 Sekunden sind Sterne und Landschaft bis auf ein brauchbares Bild unscharf.

Zwischen 22:15 - 22:45  genießen wir unseren 2. Abend mit schönem Polarlicht. Ich mache wieder ca. 80 Fotos vom Stativ aus, da es minimal schaukelt habe ich über 90% Ausschuß, d.h. unscharfe Aufnahmen (bei den Polarlichtern wäre das egal, die tanzen ja eh durch die Langzeitbelichtung, aber die Sterne und die Landschafts-Silhouette sind leicht unscharf; ein no go).

Um 22:20 ruft die Brücke „Polarlichter“ aus. Wir bleiben bis 23:30 draußen und machen die letzten Fotos: vier Nächte mit Nordlichtern, wer hätte das zu hoffen gewagt!

 

Unsere letzte Nacht mit Polarlichtern über dem Schiff...   © Achim Kostrzewa  

 

Polarlichter vom Schiff aus die Zweite:

Im September 23 sind wir auf der Ocean Adventurer und fahren quasi eine ähnliche Tour wie 2019. In der 2. Nacht sind wir schon am Anfang des Scoresby Sundes auf der Höhe von Itto und haben um Mitternacht eine tolle Polarlichtshow.

 

Der "neue" Nikon Chip bei der D780 - wird auch in der Z 6 verbaut - und hat offensichtlich ein weniger giftiges Grün, mache Kritiker sprachen ja vom "Nikongrün". Wir sehen also sehr schön Grün, Orange, Rot bis Violett. Viel ausgewogener als früher möglich. Das menschliche Auge sieht aber immer noch überwiegend Grün oder ein weißliches Grün am Himmel. Daher sehen die Fotos immer viel spektakulärer aus.  © Achim Kostrzewa (9/23, 18mm, f/4, 2sec., 6.400-12.800 ASA)

  

Im Kong Oscar Fjord können wir auch schön die Landschaft einbeziehen, Intensive Nordlichter rund um das Schiff ! Bis auf ein paar nötige Positionslampen ist die Außenbeleuchtung abgeschaltet und nach 30 min verschwinden auch die Amateure mit ihren Handies weitgehend. Dann hat man Ruhe zum Staunen und Frieren, es ist unter Null und windig.    © Achim Kostrzewa (9/23, 18mm, f/4, 2sec., 8000  ASA)

 

Polarlicht und Sternenhimmel

Die Sterne sollten immer scharf abgebildet sein. Wir machen eine Langzeitbelichtung von > 1 Sekunde. Für die Abbildung von Sternen gilt die „500er Regel“: 500 geteilt durch Brennweite z.B. 20mm = 25 Sec. maximal, danach werden die Sterne zu Ovalen und dann zu Strichen, wegen der Erdrotation. Länger darf man also nicht belichten, sonst wird’s unscharf. Das Polarlicht selber flattert und bewegt sich, wird also nie ganz scharf abgebildet, ähnlich wie Wellen auf dem Meer bei einer Langzeitbelichtung…

 

Die Milchstraße in Westaustralien, keine Lichtverschmutzung, nur die Sterne (18mm WW, 25 Sec. 6.400 ASA)   © Achim Kostrzewa  

 

Mond

Der Mond im Bild überstrahlt sowohl Polarlichter als auch die Sterne. Also mondlose Nächte abwarten (Kalender!). Wenn man den Mond scharf abbilden will, gilt folgendes: nicht langsamer als 1/30 Sec. (Erdrotation+Mondbewegung) und Blende 5,6 bei 100 ASA,. Egal was der Belichtungsmesser sagt, weil, der misst ja nicht nur den Mond, der sonst völlig überbelichtet wird. Im Ergebnis heißt das: entweder der Mond ist richtig belichtet und man sieht kaum Sterne, oder man sieht Sterne und der Mond ist völlig überbelichtet und womöglich eiförmig. Allenfalls bei Neumond kann man die Belichtung einigermaßen im Griff halten.

 

   

Milchstraße, Sirius und Neumond am Strand beim Campen in Westaustralien.                                Eisberg und Mond in Nordwest-Grönland    © Achim Kostrzewa  

 

Nachverarbeitung

Ich bin ja an sich ein Gegner von übertriebener Nachverarbeitung, wie es z.B. die Amerikaner mit ihren übertrieben farbigen Landschaftsaufnahmen machen (siehe hier: https://www.google.com/search?q=american+landscape+photographer&client=firefox-b-d&tbm=isch&tbs=rimg:CVfIseYcD5zKImAUGBAHBotowIygqXvYPs8A6TH9WgYpKX3xeTKPAozNfN7-1pZEGShTkoAc4niLV4lIzBzFK87t7-OFIT2lmQrbb7vhm4OwHtYm39AkTs1nmB3E9f2F1GxAbfA4oIYn-fQqEgkUGBAHBotowBFtG69-5wwdDCoSCYygqXvYPs8AEUOfnQAkuV1eKhIJ6TH9WgYpKX0RYMR-jzc583UqEgnxeTKPAozNfBEKXL1EjTWROioSCd7-1pZEGShTEai8tYxzXhHtKhIJkoAc4niLV4kRDk6UZQp1uUUqEglIzBzFK87t7xH7OnpFHvGwfSoSCeOFIT2lmQrbEV0mB01bcoKWKhIJb7vhm4OwHtYRcNpbxpRRuPYqEgkm39AkTs1nmBGKf5Fnx_1oHGyoSCR3E9f2F1GxAEb5AWTKlHV16KhIJbfA4oIYn-fQR_1RjXKE8PkpU&tbo=u&sa=X&ved=2ahUKEwiZ3M70jpnmAhWS6qQKHR_kDeQQuIIBegQIARAs&biw=1138&bih=522&dpr=1.2:).

ABER bei Polarlichtern ist etwas Nachverarbeitung nötig, weil die Lichter werden, je nach Intensität, auf digitalen Bildern zu grün dargestellt! Der Chip ist – wie das menschliche Auge – sehr empfindlich für diesen Anteil des Spektrums. Das bedeutet aber auch, daß die anderen Farbanteile wie rot oder blau-violett, die noch höher in der äußeren Athmosphäre entstehen, auf den Fotos oft kaum sichtbar, weil übertrahlt, sind. Wegen der notwendigen Nachverarbeitung ist das Aufnahmeformat RAW angezeigt. Es ermöglicht den Zugriff auf jedes einzelne Pixel des Fotos, während eine Bearbeitung des JPEG Formates nur noch die Veränderung des vorverarbeiteten JPEG Clusters ermöglicht und so zu häßlichen Artefakten führen kann.

Für eine Nachverarbeitung im RAW sollte man über einen kalibrierten Bildschirm verfügen und Kamera intern „ADOBE_1998“ als Farbraum eingestellt haben.

Die Nachverarbeitung fängt schon mit der Rauschunterdrückung in der Kamera an: bei meinen Nikons erscheint nach der Aufnahme eine Wartesymbol und die Kamera rechnet genauso lange wie die eingestellte Belichtungszeit war, also in unserem Falle 10 Sec. Während dessen kann man keine neue Aufnahme machen. Dann hat man das fertige RAW Bild und verarbeitet es im RAW Converter weiter: Capture NX-2 oder aktuell Capture NX-D für meine verschiedenen Nikon Modelle. Man kann auch jede andere kompatible Software benutzen:

·       Farbe (Grün vermindern) und Kontrast angleichen (erhöhen)

·       Wenn nötig Belichtung angleichen, das ist nur im RAW möglich

·       Farbrauschen vermindern

·       Speichern

·       In JPEG oder TIFF umrechnen, je nach Weiterverwendung

Fertig. Ziel meiner Bearbeitung soll nicht ein möglichst buntes Bild sein, sondern ein realistisches! Also bitte die (Farb-)regler nur sparsam verwenden.

Andere Kamerasysteme erfordern andere RAW Converter, dazu müssen Sie die Bedienungsanleitungen konsultieren, und/oder Photoshop/Lightroom o.ä. benutzen, die viele verschiedene Kameramodelle vom RAW her umsetzen können.

 

Fazit: Nachtfotografie, egal ob Sterne oder Aurora erfordern ein hohes Maß an Beherrschung der Ausrüstung (incl. Nachverarbeitung), gute Voraussetzungen, wie störlichtfreie Umgebung (dazu gehören auch kundige Mitfotografen, die nicht ständig unnötig blitzen, mit der Taschenlampe herumwirtschaften oder sonstigen Unfug machen), volle Akkus, ein stabiles Stativ und viel Geduld. Nordlichter sind flatterhaft und mal mehr mal weniger intensiv. Glück gehört genauso dazu, wie sehr warme Kleidung und eine Thermosflasche voll mit gutem Kaffee...

Ich bleibe da weiter dran, wo immer es möglich ist.

 

Text & Fotos © Achim Kostrzewa  (im Dez. 19, update Sept. 23)